Vorbereitung der Standortentscheidung für ein Opernhausinterim unter Einbeziehung der Stadtgesellschaft

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die Wahl des richtigen Standorts für das erforderliche Interim zur Opernhaussanierung hat durch die Einbeziehung des Standortes Kongresshalle in die Überlegungen der Verwaltung eine zusätzliche Komplexität und Dimension gewonnen. Die Kongresshalle ist als eine nie fertiggestellte, vom Größenwahn der Diktatur zeugende bauliche Hinterlassenschaft der Nationalsozialisten keine Liegenschaft wie jede andere. Daher müssen in eine Abwägungsentscheidung zwischen Investorenmodell, Mietmodellen (z.B. auch bei städtischen Töchtern) und Eigenerstellung sowie den damit verbundenen Standortvorschlägen nicht nur die ohnehin komplexen Aspekte von betrieblichen Anforderungen, Zeitbedarf, Kosten, Synergieeffekten, Förderfähigkeit und Zukunftsperspektive der städtischen Bauinvestition einfließen. Sondern die Abwägung muss auch berücksichtigen, ob und wie an diesem besonderen Ort ein neuer Ort der Kultur entstehen und gleichzeitig die erforderliche Erinnerung an die Gewaltherrschaft und ihre Bauten sichergestellt werden kann.

Eine derartige Abwägungsentscheidung über einen solchen veränderten Ort der Kultur und die damit verbundene Ausweitung der bisherigen Nutzung der Kongresshalle kann nach unserer festen Überzeugung nicht ohne eine Beteiligung der Bürgerschaft (auch als künftiges Publikum), von Kulturschaffenden und Mitwirkenden an der Erinnerungsarbeit und eine damit verbundene Vergewisserung unseres Umgangs mit der Kongresshalle erfolgen.

Unbestritten stehen die Weichenstellungen für ein Opernhausinterim unter einem hohen Zeitdruck. Alle Überlegungen müssen zeitnah zu einem überzeugenden Abschluss gebracht werden, um einen geordneten Übergang des Spielbetriebs von Musiktheatersparte und Ballett des Staatstheaters Nürnberg sicherzustellen und damit auch eine sichere Perspektive für alle Beschäftigten während der Sanierung des Opernhauses am Richard-Wagner-Platz zu schaffen. Dies ist nach unserer Einschätzung bei einer straff geführten, gestuften Vorgehensweise möglich.

Die Einbeziehung der Kongresshalle in die Standortüberlegungen fordert insbesondere zur Bewältigung folgender zusätzlicher Fragestellungen heraus:

  • Selbstvergewisserung der Stadtgesellschaft über den Umgang mit der Kongresshalle für die Dauer von mindestens zwei Jahrzehnten.
  • Verzahnung der überlegten Nutzung als Operninterim mit der ebenfalls angedachten Nutzung als Ermöglichungsort für Kunst und Kultur einschließlich baulicher und inhaltlicher Wechselwirkungen.
  • Wechselwirkungen mit den Anforderungen von Denkmalschutz und Erinnerungsarbeit sowie sensibler und angemessener Umgang mit dem musealen Denkraum im Innenhof, insbesondere bei einer Erstellung von sichtbaren Bauwerken zusätzlich zum heutigen baulichen Torsobestand (z.B. eines neuen Theatersaalgebäudes) und der Platzierung solcher sichtbaren Bauwerke.
  • Fragen nach Möglichkeiten und Grenzen einer weiteren kulturellen Nutzung des Opernhausinterims oder einzelner Bestandteile nach Rückführung des Staatstheaters in das sanierte Opernhaus am Richard-Wagner-Platz.

Hierbei ist zwischen kurzfristigen Arbeitspaketen, die bereits vor einer Standortentscheidung bearbeitet sein müssen, und weiteren Aufgabenstellungen für die Zeit nach einer etwaigen – für uns noch offenen – Entscheidung für ein Opernhausinterim in der Kongresshalle zu unterscheiden. Bei guter Prioritätensetzung und Abschichtung der anstehenden Arbeitspakete (z.B. Erstellung eines Kriterienkatalogs für eine Nachnutzung anstelle einer Nachnutzungskonzeption) und bei vorausblickender Gestaltung von ohnehin erforderlichen Verfahrensschritten (z.B. Einbeziehung von Bearbeitungsskizzen in die erforderlichen Vergabeverfahren für Planungsaufträge nach dem Vorbild des Planungsvorhabens Plärrer-Neugestaltung) kann die erforderliche Rückkoppelung an die Stadtgesellschaft und die notwendige gedankliche Flexibilität im Umgang mit einer besonderen Immobilie ohne kritische Zeitverluste bewerkstelligt werden.

Neben diesen inhaltlichen und gestalterischen Aspekten stellen der erforderliche finanzielle Aufwand und die Möglichkeit einer Refinanzierung dieses Aufwands einen wichtigen Gesichtspunkt für die Standortentscheidung dar.

Die SPD-Stadtratsfraktion stellt daher den folgenden

Antrag:

  • Die Beratung und Entscheidung des Stadtrates über das richtige Modell (Investorenmodell, Anmietungsmodelle bei städtischen Töchtern oder Eigenerstellung) sowie den richtigen Standort eines Opernhausinterims wird angesichts der Besonderheiten eines etwaigen Standorts Kongresshalle unter Berücksichtigung des hohen Zeitdrucks der Entscheidungsfindung im Diskurs mit der Stadtgesellschaft und mit hoher Sensibilität für die Belange einer zwingend weiterhin erforderlichen Erinnerungsarbeit am historischen Ort Kongresshalle vorbereitet.
  • Die Verwaltung leitet hierzu kurzfristig eine strukturierte Beteiligung von Bürgerschaft, Kulturschaffenden, Mitwirkenden an der Erinnerungsarbeit und weiteren Interessierten ein, mit dem Ziel, Meinungen und Anregungen zu den Rahmenbedingungen eines Opernhausinterims in der Kongresshalle zu sammeln und diese dem Stadtrat für seine Beratungen über den Interimsstandort zur Verfügung zu stellen.
  • Die Verwaltung führt die bislang in getrennten Beratungsabläufen verfolgten Vorhaben einer Schaffung von kulturellen Ermöglichungsräumen in der Kongresshalle und einer etwaigen Nutzung der Kongresshalle als Opernhausinterim in geeigneter Weise so zusammen, dass die strukturellen Bezüge beider angedachter Vorhaben mitbedacht werden und auch in den Gremiensitzungen sinnvoll in ihren Wechselwirkungen beraten werden können.
  • Das Staatstheater wird gebeten, für die Standortberatung des Stadtrates Aspekte einer künstlerischen Auseinandersetzung der Theaterarbeit mit einem Interimsstandort Kongresshalle zu skizzieren und in die Beratungen einzubringen.
  • Die Verwaltung listet im Vorfeld der Standortentscheidung auf, welche heute bekannten Bedarfe für eine kulturelle Nutzung möglicherweise zu einer Weiternutzung eines vormaligen Opernhausinterims in der Kongresshalle oder Bestandteilen hiervon in Frage kommen könnten, und entwickelt einen vorläufigen Kriterienkatalog für eine Nachnutzungskonzeption als neuer Kulturort. Die eigentliche Nachnutzungskonzeption ist im Falle einer Standortentscheidung für die Kongresshalle erst zu einem späteren Zeitpunkt erforderlich.
  • Für den Fall, dass der Stadtrat die Kongresshalle als Standort für ein Opernhausinterim wählen sollte, wird im Rahmen der ohnehin erforderlichen Vergabeverfahren für die Objektplanungsleistungen die Abfrage von Bearbeitungsskizzen gegen ein angemessenes Entgelt integriert, anhand derer ohne räumliche Vorfestlegung fachliche Vorschläge der Bieter zu der räumlichen Anordnung des Interims im Kongresshallentorso insgesamt sowie insbesondere zu Baukörperform und Anordnung des Theatersaales (z.B. im Torso, an verschiedenen Platzierungen im Innenhof oder außen liegend, ggf. auch mit einem partiellen Aufbrechen der Torsostruktur) eingeholt und bewertet werden.
  • Die Verwaltung erarbeitet für die Standortentscheidung eine Prognose der voraussichtlichen erforderlichen Kosten für die Erstellung eines Opernhausinterims im Investorenmodell, im Mietmodell bei städtischen Töchtern sowie bei einer Eigenerstellung in der Kongresshalle. Soweit für diese Modelle Angebotspreise aus einem späteren Vergabeverfahren maßgeblich sein werden, die aktuell nicht vorliegen können, wird mit den verwaltungsseitig verfügbaren Mitteln eine grobe objektunabhängige Abschätzung vorgenommen (beispielsweise anhand von Größenordnungen, allgemeinen Kennziffern zu Neubauten und Sanierungen von Hallengebäuden, Restwerten zur Nachnutzung und Nachhaltigkeitsfragen). Es ist ferner darzustellen, welche staatlichen Fördermöglichkeiten in den angedachten Modellen jeweils bestehen und wie hoch eine solche Förderung der Maßnahme im jeweiligen Modell ausfallen kann (Bund wie Land). Die Verwaltung berichtet ferner, ob und mit welchem Ergebnis Gespräche mit dem Freistaat Bayern über eine staatliche Projektfinanzierung über die übliche Förderung kommunaler Maßnahmen hinaus geführt wurden und ob sowie unter welchen Voraussetzungen eine Entlastung für den städtischen Haushalt erreicht werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

 

Ihre Antragsteller

Dr. Ulrich Blaschke
Sprecher Opernhauskommission

 

und

 

Christine Kayser
Stadträtin

 

und

 

Dr. Anja Prölß-Kammerer
stv. Fraktionsvorsitzende

 

und

 

Diana Liberova
Stadträtin

 

und

 

Michael Ziegler
kulturpolitischer Sprecher